Donnerstag, 30. Juli 2009

Kommt die Mehrwertsteuererhöhung?

Der wachsenden Staatsverschuldung muss mit einer Erhöhung der Einnahmen begegnet werden

Die Rettungsaktionen, die der Staat zurzeit unternimmt, um die Wirtschaft vor einer tiefen Rezession und viele Unternehmen vor einer möglichen Pleite zu bewahren, werden zu einer rasant wachsenden Staatsverschuldung führen. Vorausschauende Beobachter machen sich daher Gedanken darüber, wie das so entstehende Defizit in den öffentlichen Haushalten wieder ausgeglichen werden kann. Auf der Ausgabenseite sind die Spielräume nicht nur wegen der fehlenden Popularität von Mittelkürzungen begrenzt sondern auch, weil viele Ausgaben auf gesetzlichen Grundlagen und vertraglichen Regelungen beruhen, die nicht ohne weiteres missachtet oder aufgekündigt werden können. Also muss versucht werden, über die Einnahmenseite einen Ausgleich herbeizuführen.

Im Klartext heißt das, Steuern müssen erhöht werden.

Bei den Steuern auf Einkommen und Gewinne ist man wegen der negativen Anreizwirkung allerdings sehr zögerlich, redet gar von notwendigen Steuersenkungen. Diese könnten über eine Stimulierung von Konsum und Investitionen zu Wachstum und damit höherem Steueraufkommen führen, sich also selbst finanzieren. Experten sind sich aber bei der Beurteilung der Wirkungsketten nicht sicher, ob das tatsächlich funktioniert – ganz abgesehen von der schwer einschätzbaren Zeitverzögerung, bis die Einnahmewirkung eintritt. Also bleibt nur die Mehrwertsteuer. Es handelt sich um eine Steuer auf den Konsum, also ist die negative Wirkung auf Investitionen und damit auf das Wirtschaftswachstum zunächst gering. Können allerdings die Unternehmen wegen einer verhaltenen Konsumneigung die gestiegene Mehrwertsteuer nicht - wie eigentlich steuertechnisch vorgesehen – auf die Konsumenten abwälzen, sind auch die Gewinne tangiert und damit leidet die Investitionsfähigkeit von Unternehmen, was wiederum das Wachstum des Sozialproduktes dämpfen würde.
Zudem kommt es zu Vorzieheffekten: Konsumenten verhalten sich rational, wenn sie größere Anschaffungen, wie etwa Autos oder Wohneigentum jetzt tätigen und nicht bis nach der Steuererhöhung warten. Volkswirtschaftlich fehlen diese vorgezogenen Käufe dann aber am Konsum der nächsten Periode.

Der wirtschaftspolitische Joker Mehrwertsteuer

Dass eine Mehrwertsteuererhöhung politisch relativ leicht durchsetzbar ist, hat die letzte drastische Erhöhung von 16 auf 19 v.H. für den Standardsatz gezeigt, die die Bundesregierung nach der Wahl im Herbst 2005 durchzog. Der negative Einfluss dieser Aktion auf die gerade wieder etwas robuster werdende Konjunktur wurde zwar von vielen Experten konstatiert, die Erhöhung stieß aber insgesamt auf wenig Widerstand, da – anders als bei der Einkommenssteuer – eine Mehrwertsteuererhöhung sich weniger deutlich im Geldbeutel der Wähler niederschlägt.
Die resultierenden höheren Preise werden eher den Händlern als der Politik angelastet. Was liegt also näher als zur Finanzierung des entstehenden Haushaltsdefizits wieder auf die Mehrwertsteuer zurückzugreifen? Soll allerdings eine spürbare Wirkung erzielt werden, müsste schon eine drastische Steigerung – gesprochen wird von 6% auf dann 25% - verfügt werden. Der vordergründig einfache Ausweg aus der Staatsverschuldung hat jedoch wie jede Medizin weitere Nebenwirkungen: so muss ein Anstieg der Schwarzarbeit befürchtet werden; darüber hinaus wird es auch letztendlich über eine Dämpfung des Konsums zu einer wenn auch langsam wirksam werdenden Verringerung des Wachstums kommen – wie die Erfahrungen des letzten Konjunkturzyklus gezeigt haben.

Differenzierte Erhöhung

Daher schlagen Experten statt einer deutlichen Erhöhung des Standardsatzes eine Abschaffung des gespaltenen Mehrwertsteuersatzes vor. Die verminderte Mehrwertsteuer von 7% auf einige Güter wurde ursprünglich sozial begründet: Waren und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs sollten weniger stark belastet werden. Es zeigte sich jedoch im Laufe der Zeit, dass eine generelle Besserstellung etwa von Lebensmitteln, Büchern und einigen Dienstleistungen auch und besonders mittlere und höhere Einkommensbezieher begünstigt, deren Konsum subventioniert wird. Will man den Abbau von Subventionen als Mittel gegen ungerechte Besteuerung und wachsende Staatsverschuldung ernsthaft betreiben, wäre die Einführung eines einheitlichen Mehrwertsteuersatzes daher sicher eine vernünftige Maßnahme. Sie würde verhindern, dass der allgemeine Steuersatz tatsächlich auf astronomische Höhen klettern muss. Eines scheint aber klar zu sein, spätestens nach der Bundestagswahl wird eine wie auch immer ausgestaltete Mehrwertsteuererhöhung unausweichlich sein.